Entstehung und Hintergründe des TYROLER REQUIEMS

Das ca. 45- minütige Werk entstand als Auftragskomposition für Manfred Trauner, der als Kind bei den Regensburger Domspatzen sang und heute als Schlagzeuger bei den Münchner Philharmonikern spielt. Er ist der Initiator des Requiems. Sein Vater, für den er das Tyroler Requiem bestellte, war Tenor am Gärtnerplatztheater in München. Nach dessen Tod versuchte Manfred Trauner zuerst selbst ein Requiem zu schreiben, bis er sich schließlich an Rainer Bartesch wandte mit der Bitte, es für ihn zu komponieren. Er brachte eine Reihe von Vorgaben mit, die er bei der Komposition berücksichtigen sollte.

Zum einen wünschte er eine starke Verwurzelung in der alpenländischen Musik, die durch die Einarbeitung von ausgewählten alpenländischen Weisen und eine „alpenländische“ Besetzung (Blaskapelle + Alphörner + Stubenmusik + Orgel + Schlagzeug + Chor + Solisten) erreicht werden sollte, dazu gehörte auch die Verwendung des lateinischen Textes und der alten liturgischen Form. Zum anderen sollten zwei Solisten, ein lyrischer Tenor und ein Knabensopran symbolisch auf seinen Vater und ihn verweisen.

Das Tyroler Requiem greift ein altes Kompositionsverfahren auf, das im ausgehenden Mittelalter und in der Renaissance besonders beliebt und verbreitet war. Damals dienten bekannte weltliche Melodien, die mit neuen, sakralen Texten versehen wurden, als Ausgangsmaterial für Mess-Kompositionen. Für das Tyroler Requiem wurden neben den vorgegebenen alpenländischen Melodien auch typische Satztechniken der Volksmusik, z.B. der Dreigesang, übernommen und behutsam unter Einbeziehung zeitgenössischer Kompositionsverfahren verarbeitet. So entstand ein Werk, das tief in der alpenländischen Musik wurzelt, sich aber den musikalischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts nicht verschließt.

Der erste Satz, das „Requiem und Kyrie“ , beginnt mit dem Grundton der beiden Alphörner. Aus ihm heraus wächst allmählich durch immer mehr hinzutretende Stimmen ein dicht verwobener Klangteppich, auf dem der Chor schließlich das „Requiem“ anstimmt. Nachdem der Klang zur vollen Entfaltung gelangt ist, wird die Musik wieder leichter und nimmt für das „Kyrie“ die Gestalt eines erweiterten Dreigesangs an.

Wenn im zweiten Satz, dem gewaltigen „Dies irae“ der Chor vom Jüngsten Gericht singt und beim „Tuba mirum …“ von den „wundertönenden Posaunen“ erzählt, scheint noch das alte Andreas- Hofer- Lied „Zu Mantua in Banden“ durch – immer wieder durchschnitten von einem markanten Motiv der französischen Marseillaise. An einigen besonders dichten Passagen wurde sowohl der lateinische als auch den deutsche Text einbezogen. Neben dem traditionellen Chorgesang finden sich auch Abschnitte mit rhythmisiertem Sprechgesang, denn die rhythmische Komponente spielt im „Dies irae“ eine zentrale Rolle. 

Im „Domine Jesu“, einem groß angelegten Sopransolo, steht die Bitte nach Erlösung der Seele, der Rettung vor den drohenden Abgründen im Mittelpunkt. Hier kann das ungewöhnliche Ensemble eine eigene Klangsprache entfalten, die mit zarten Farben die Schutzbedürftigkeit und mit zupackend kräftigen Klängen die bedrohlichen Abgründe nachzeichnet.

Das „Sanctus“ besteht aus mehreren kompositorischen Schichten, die passgenau übereinander liegen. Die unterste bildet dabei der Andachtsjodler, der hier vollständig erklingt. Allerdings muss man schon genau hinhören, denn die darüber liegenden Schichten haben ihr Eigenleben und ziehen die Aufmerksamkeit der Zuhörer zuerst auf sich.

Ein harmonisch offenes Trompetenmotiv zum Beginn und am Ende bildet einen Rahmen um das „Agnus Dei “. Wenn der Tenor sein Solo zu singen beginnt, wird vielleicht der eine oder andere Zuhörer die Weise „Am Berg da drob’n, da steht a Kreuz“ wiedererkennen. Besonders reizvoll sind dabei die eingestreuten Alphornrufe, die dem „Agnus Dei“ eine besondere Farbe verleihen.

Die spürbare Nähe des „Lux aeterna“ zur Volksmusik entsteht nicht durch eine direkte melodische Verwandtschaft, sie ist in seiner besonderen motorisch- rhythmischen Gestalt begründet. Das Duett der beiden Solisten ist eigentlich eine Polka. Das Hackbrett, das während des gesamten Stückes immer wieder die gleiche Spielfigur wiederholt, symbolisiert damit das ewige Licht.

Im letzten Satz, dem „Libera me“ tauchen Passagen des ersten und zweiten Satzes wieder auf. Er fasst die Aussagen der vorangegangenen Sätze in verdichteter Form zusammen. Hier werden noch einmal alle Kräfte aufgeboten. Aber nicht das Gefühl des endgültigen Verlustes, sondern das der Hoffnung auf das ewige Licht überwiegt beim Abschiednehmen.

Rainer Bartesch

EIN TYROLER REQUIEM – Besetzung: 

Knabensopran-Solo
Tenor-Solo
4-stg. gem. Chor

Orgel
Harfe
Akkordeon
Hackbrett

Querflöte
Klarinette in B

2 Hörner in F/ 2 Alphörner in F

2 Trompeten in B

2 Flügelhörner

Bariton/Posaune

Tuba

Kontrabass

Pauke

Schlagzeug (3 Spieler)